Lok pfeift Tonleiter: Warum machen manche Züge Musik? - n-tv.de

2022-10-26 11:34:22 By : Mr. Tom Yang

Fahren singend los: Loks der Baureihe 182 sind überwiegend auf der Strecke zwischen Magdeburg und Cottbus unterwegs.

(Foto: imago/Rüdiger Wölk)

Die Türen sind geschlossen, der Zug fährt an - und auf dem Bahnsteig ist für etwa zehn Sekunden eine saubere Tonleiter zu hören. Manche Loks machen Musik. Hört sich das nur so an oder soll das so sein?

Songs, die den Schienenverkehr besingen, gibt es ja einige. Während Elvis Presley den "Mystery Train" beschwor, schaute Tom Waits dem "Downtown Train" nach Manhattan hinterher. Udo Lindenberg suchte derweil den "Sonderzug nach Pankow", und Elton John wusste schon in jungen Jahren: "This Train Don't Stop There Anymore".

Erstaunlich ist: Züge sind nicht nur oft Gegenstand von Musik, sie machen zuweilen auch selbst welche. Wenn zum Beispiel in Potsdam die Regionalbahn Richtung Berlin losfährt, spielt die Lok auf den ersten Metern eine saubere Tonleiter. Sie setzt tief an und dudelt sich höher und höher. Sobald der Zug richtig in Fahrt ist, ist die Darbietung beendet. Aber wie macht die Lok das? Und warum eigentlich? Ist das Absicht?

"Ja, das ist ein gezieltes Sounddesign", erfahren wir bei der Bahn. Details könne uns Siemens nennen, denn dort seien die entsprechenden Loks gebaut worden. Und tatsächlich findet Ellen Schramke von der Siemens AG die Frage nach Zügen, die Musik machen, nicht weiter merkwürdig. "Bei uns singen die Lokomotiven des Typs ES64U2 beziehungsweise die Baureihe 182 der Deutschen Bahn", sagt sie, als wären singende Züge das Normalste der Welt.

In Österreich sind die musikalischen Loks unter dem Namen "Taurus" denn auch weit verbreitet. In Deutschland aber sind sie nicht so bekannt. Hier fährt die Baureihe 182 überwiegend auf der Strecke zwischen Magdeburg und Cottbus hin und her. Dabei kommt sie auch durch den Berliner Hauptbahnhof - in den Kernzeiten immerhin viermal pro Stunde.

Doch was hat es mit ihrem Gesang auf sich? Die Loks musizieren nicht einfach so. Vielmehr hat die Tonleiter, wie Schramke erzählt, eine technische Ursache: "Die Töne entstehen durch die Steuerung der sogenannten Stromrichter", sagt sie und erklärt, dass man diese braucht, um den Strom, der von der Oberleitung kommt, so umzuwandeln, dass er für die Drehstrommotoren der Lok geeignet ist.

Die Stromrichter erzeugen immer, bei jeder E-Lok, einen Ton im Motor: ein Summen. Wie das genau klingt, ob es hoch oder tief ist und wie es ansteigt, das lässt sich jedoch programmieren. Und so hat man sich bei den singenden Zügen von Siemens für eine Tonleiter entschieden. "Die Frequenz ändert sich dabei in Ganz- und Halbtonschritten über zwei Oktaven", sagt Schramke. Die Tonleiter beginnt nämlich beim Bass-d und geht hinauf bis zum hohen d, dem zweigestrichenen.

"Technisch wäre es auch möglich, andere Melodien abzuspielen", betont die Siemens-Sprecherin. So gab es auch schon einmal einen ICE, der kurzzeitig die Nationalhymne drauf hatte. Für die Loks der Baureihe 182 und den täglichen Betrieb aber hat man die Frequenzen "mit Absicht auf eine Tonleiter abgestimmt, weil diese für das menschliche Ohr angenehm klingt", wie Schramke sagt.

Und in der Tat: Besonders, wenn die Schienen bei Regen oder Schnee mal nass sind und die Motoren der Lok daher beim Anfahren nachgeregelt werden müssen, wähnt man sich auf dem Bahnsteig fast in einer Orchesterprobe. Dann nämlich kann die musikalische Lok auch mehrstimmig spielen. Wer die Zug-Musik häufiger hören möchte: Die Österreichischen Bundesbahnen ÖBB bieten sie als Klingelton fürs Handy an.